Eine dieser langen Überführungen führt vom Drehkreuz Hongkongs („Central“) bis zu den Fähranlegern. Ohne auch nur die Straße betreten zu müssen stehen wir an den Piers. Von hier aus fahren langsame Fähren wie Schnellfähren auf die andere Seite des Hafens in den Stadtteil Kowloon oder auf eine der vielen Inseln die zu Hongkong gehören. Kowloon ist einst eine eigene Stadt gewesen. Mittlerweile ist sie schon längst in den Großraum Hongkongs aufgenommen worden der sich noch weit darüber hinaus bis in die „New Territories“ bis fast nach Shenzen ausdehnt. Eine in die Jahre gekommene Fähre schippert gemächlich in ein paar Minuten in diesen Stadtteil. Sie passiert dabei Sportboote, patroullierende Polizeiboote und große Pontons die von Schleppern durch die Gegend gezogen werden. Jedes Schiff trägt einen kleinen Beitrag zu dem Wellenchaos bei das wir in unseren dazu vergleichbar kleinen Ruderbooten bezwingen müssen. Mit einem kleinen Rumms dockt das Schiff auf der anderen Seite an einem ebenso in die Jahre gekommenen Pier an. Wir landen inmitten einer Einkaufsmeile die von hochpreisigen Markenläden auf beiden Seiten gesäumt ist. Hier stehen weiß behandschuhte Portiers an den großen Doppelglastüren der Läden in denen exklusive Handtaschen, kitschige goldene Armreifen, luxuriöse Mäntel, teuerste Uhren und viele andere Luxusartikel erworben werden können. Das Geschäft floriert sichtbar. Die Straßen und Läden sind gut gefüllt. Da Hongkong keinerlei Mehrwertsteuer erhebt, ist diese Stadt ein Hotspot für shoppingwütige Reisende die sich hier mit edelsten aller Marken für relativ „wenig“ Geld eindecken können.
Wir haben indes keine Probleme uns diesem Angebot zu entziehen und passieren die Läden ohne einen einzigen Dollar ärmer zu sein. Unser Ziel ist das International Commerce Centre, das höchste Gebäude in Hongkong. Mit seinen 484 m schafft es dieses Monstrum aus Glas und Stahl auf den 7. Platz der Weltrangliste der höchsten Gebäude (danke Wikipedia!). Im Stockwerk Nummer 100 (wobei unklar ist, welches Stockwerk das wirklich ist. Da die Nummer 4 im chinesischen Raum als Unglückszahl gilt, werden sämtliche Stockwerke mit einer 4 übersprungen. Zusätzlich zu den anderen Unglückszahlen die der Aberglaube im Angebot hat.) gibt es ein Aussichtsdeck von dem wir aus einen beeindruckenden Ausblick auf die Regattastrecke haben – und natürlich den gesamten Rest von Hongkongs Skyline, den umliegenden Bergen, den riesigen Wohngebiet von Kowloon, den Hafen, die entfernteren Wohnsiedlungen mit ihren riesigen schmalen Wohnblöcken und einigen Inseln im Hintergrund. Auch heute war es wieder sehr diesig. Die Sichtweite betrug etwa 13 km. Das mag viel klingen. Im Vergleich zu der Größe Hongkongs und der Höhe (393 m) in der wir uns gerade befanden, hatten wir allerdings eine etwas limitierte Sicht.
Gut zu sehen war jedoch Victoria Harbour mit den vielen kleinen Booten und Fähren. Ein Gewusel von hier oben. Oder die Werbeanzeigen auf den Dächern der Hochhäusern. Dort sind überdimensionale Bildschirme montiert die mit voller Kraft ihre Werbebotschaft zumeist in nicht verständlichen chinesischen Schriftzeichen in die Stadt hianus feuern die dort in dem Chaos aus Farben, Mustern, Zeichen und Rauschen genauso untergeht wie jede andere Werbetafel auch. Die Sonne verschwindet gerade hinter dem Horizont. Davon bekommen wir nicht viel mit, weil die allgegenwärtigen Wolkenschichten und der Dunst aus Smog und Luftfeuchtigkeit das Sonnenlicht schon vor einiger Zeit geschluckt haben. Doch innerhalb weniger Minuten wird es dunkel in der Stadt. Zumindest am Himmel. Das natürliche Sonnenlicht wird in einem fließenden Übergang von den Lichtern der Stadt ersetzt. Jetzt blicken wir in jeder Richtung auf ein Lichtermeer. Die beleuchteten Wohnungen und Büros funkeln in der lichtverschmutzten Luft und lassen einen staundend zurück.