Meuterei vor der Schleuse

21. September 2018 | Von | Kategorie: Aktuell, Freizeitsport

Zum Grillen an den Westensee

»Das Bier steht schon kalt, der Grill wird gerade angeheizt!« Mit diesen Worten begrüßt uns Thomas auf der Eiderbrücke hinter Achterwehr. Diese Nachricht gibt dem einen oder anderen Ruderer noch einmal Auftrieb, angesichts der Tour, die bereits hinter uns liegt.

Wir genießen die Fahrt durch die verwunschene Eider. Schlingpflanzen greifen nach unseren Skulls, flauschige Blätter umstreifen unser Haupt, während wir unter tief hängenden Bäumen hindurchrudern. »Ruder lang!«, wenn plötzlich Baumwurzeln vom Ufer her die Durchfahrt verengen oder »ohne Kraft!«, wenn der Steuermann eine Lücke sucht, um einen quer im Wasser liegenden Baum zu passieren. Die eine oder andere Mannschaft findet sich am Ufer im Schilf wieder, wenn ihr weniger erfahrener Steuermann die Kurve unterschätzt hat. Wir genießen die Ruhe nach der ungemütlichen Etappe zuvor.

Doch schließlich weitet sich der Horizont und unser Blick schweift über den abendlichen Westensee. Ein Boot nach dem anderen spuckt die Eidermündung aus, bis schließlich eine eindrucksvolle Armada von fünf, meist EKRC-blauen Ruderbooten im schwindenden Licht der untergehenden Abendsonne Kurs über den See nimmt. Schnell erreichen die Ruderer den Felder Badestrand und kurz darauf bohren die Boote fast zeitgleich ihren schnittigen Bug in den weißen Sand. 23 Ruderer springen behände über die Bordwand in das seichte Uferwasser und stürmen auf der Suche nach dem kalten Bier…

HALT! Falscher Film, ich habe wohl gerade geträumt!

Richtig ist: Es sind fünf Boote. Richtig ist: Es sind 23 Ruderer. Doch diese wälzen sich nach der endlosen Tortur mit letzter Kraft über die Bordwand und fallen ermattet ins Wasser…

HALT! Schon wieder geträumt!

Aber müde sind wir schon, als wir die Boote an dem Strand aus dem Wasser holen, um sie für die Nacht vorzubereiten, haben wir doch bereits einige Kilometer hinter uns. Eine kurze Wanderung durch die Abenddämmerung und schon bald empfängt uns Antje mit einem kühlen Bier in der Hand. Der Septemberabend ist bereits merklich frisch geworden und so manch einer hätte sich an Stelle des kühlen Bieres vielleicht eher einen warmen Grog gewünscht. Aber Claus und Antje haben zum Grillen geladen in ihrem Sommerhaus am Westensee und dazu gehört nun einmal ein kühles Bier.

Während wir noch den weiten Blick über den See genießen, unsere nach zwei Wasseranlegern ausgekühlten Füße an der Fußbodenheizung im Bad wieder auftauen oder einfach nur mit einem Getränk in der Hand erst einmal ankommen, hat Claus bereits eine opulente Auswahl an Fleisch auf dem Grill platziert und bald ziehen verführerische Düfte zu uns hinauf auf die Terrasse.

Alles ist sensationell lecker, die Leckereien vom Grill wie auch die tollen Beilagen! Der Außenkamin verbreitet wohlige Wärme, mit dem ersten Fleisch ist auch Alf gegart, der seinen Platz nahe dem Feuer bald freiwillig räumt. So lässt es sich leben – ein perfekter Abschluss für einen abwechslungsreichen Rudertag.

Rückblick

Die Westenseefahrt, ein Klassiker unter unseren lokalen Wanderfahrtzielen, hatte Claus Heinrich in diesem Sommer als Zweitagestour geplant, mit abendlichem Grillen bei seinem Sommerhaus am Westensee.

Im Vorfeld lange Diskussionen angesichts der zu erwartenden Wartezeiten vor der Holtenauer Schleuse, die ja angesichts des baulichen Zustandes dieser historischen Bauwerke immer schlimmer zu werden drohen. Der diskutierten Alternative – Verladen der Boote und die Fahrt ab Rendsburg zu starten, widersetzte sich Claus beharrlich: »solange wir weniger als drei Stunden warten müssen, sind wir schneller«, denn das Verlegen der Boote nach Rendsburg würde ja auch nicht in Nullzeit über die Bühne gehen.

Und so ging es am Samstag mit fünf Booten los: Treffen 11:30, Ablegen pünktlich im 12:00. Frohen Mutes machen wir uns auf unsere Early Bird Standardtour in Richtung Schleusen. Auf der Förde herrscht buntes Treiben an Segelbooten, die Segel-Bundesliga ist zu Gast in Kiel. In Holtenau angekommen lassen wir es im Gegensatz zum Dienstagmorgen nicht bei einem prüfenden Blick in die Schleusenkammern bewenden. Stattdessen sammeln wir uns und queren die Schleuseneinfahrt in Richtung Tiessenkai, wo wir uns zu einigen Seglern in die Warteposition gesellen.

»Aldebaran« fährt in die Schleusen – ohne uns. »Jerome H.« fährt in die Schleusen – »Jetzt sind wir gleich dran!« Doch noch während wir noch auf das weiße Einfahrlicht warten hören wir, wie sich mit dem vertrauten Klingelsignal die Tore schließen.

Die Wartezeit zieht sich, in dem frischen Westwind wird uns langsam kalt. Einige Boote beginnen, ihre Runden in der Wartezone zu drehen um so warm zu bleiben. Wir dagegen suchen Schutz unter der Schleusenmauer an dem frisch von uns entdeckten Holtenauer Sandstrand. Hier setzen wir das Boot in den Sand und harren der Dinge.

»Wenn wir jetzt nicht bald mitkommen, kehren wir um und fahren zweimal in die Hörn. So etwas habe ich ja noch nie erlebt!« echauffiert sich Pau, bei dem die Gelassenheit des Alters langsam zu bröckeln beginnt. Die Stimmung beginnt zu kippen, als sich die Schleusentore ein weiteres Mal hinter zwei weiteren KüMos ohne zu schließen beginnen. Doch dann nach der Einfahrt eines großen Containerfrachters endlich das langersehnte weiße Licht!

Die Einfahrt in die Schleuse, vorbei an den nun ruhenden Stahlkolossen, ist auch für die alten Hasen immer wieder auf’s Neue ein Erlebnis. Alleine die Dimensionen der Schleusenkammern beeindrucken mich immer wieder auf’s neue. Im Nachhinein müssen wir dem Schleusenwärter wohl dankbar sein, hat er doch für unsere Schleusenpassage eine besonders imposante Begleitung abgewartet.

Die erste Etappe auf dem Kanal erweist sich als ungewöhnlich kurzweilig, es herrscht viel Verkehr auf der meistbefahrenen Wasserstraße der Welt. Wir passieren wartende Schiffe in der Weiche, die Hans Tolk macht Bekanntschaft mit dem Schraubenwasser eines anfahrenden Frachters. Dicke Pötte kommen uns entgegen, anschließend werden wir von den zuvor wartenden Schiffen überholt. Eindrucksvoll ist es immer wieder, auf der Stelle zu rudern. Überholt uns ein dicker Frachter, so schiebt er eine ermaßen kräftige Strömung vor sich her, gegen die kaum anzukommen ist.

Nach dem kurzweilig, eindrucksvollen Beginn zieht sich die Kanalpassage in gewohnter Weise in die Länge. In dem Frischen, spätsommerlich kühlen Gegenwind wird es trotz körperlicher Betätigung langsam kalt.

Schleuse in Sicht!

Und so sind wir erleichtert, als Pau schließlich verkündet: »Ich kann die Fähre schon sehen, dahinter geht es in den Flemhuder See!«

Hinter der Kanalfähre Landwehr passieren wir die alte Schleuse Strohbrück. Diese bleibt uns schon seit vielen Jahren verschlossen und biegen wir bald darauf nach Backbord in den Flemhuder See, wo wir an der Übersetzstelle anlanden und die Boote nacheinander aus dem See hinüber in die Eider übersetzen. Schön ist es, dass bei einer so großen Gruppe auch genügend helfende Hände bereitstehen, die Boote über das matschige Ufer die Böschung hinaufzutragen, um sie nacheinander wieder in der Eider zu Wasser zu lassen. Doch zwischendurch endlich Pause, endlich einmal aufrichten und die Glieder strecken, endlich einmal hinter den Busch.

Und so geht es schließlich weiter auf der Eider zu Antje und Claus zum Grillen.

Bei Sonne sieht die Welt wieder ganz anders aus!

Am Sonntag präsentiert sich der Westensee im Lichte der Morgensonne. Deren Strahlen wärmen an Stelle des gestrigen Windes die Glieder. Leichter Rückenwind und angenehmere Temperaturen lassen die Rückfahrt noch einmal angenehmer erwarten.

Auch das Warten vor der Schleuse ist heute ganz entspannt. Obwohl wir fast genauso lange warten wie auf der Hinfahrt, ist die Stimmung gut – wir haben das Warten gelernt. Gelernt haben wir auch, dass es einen Kassenautomaten vor der Schleuse gibt mit einem super Steg zum Anlegen und entspannten Abwarten vor der Schleuse.

Die Förde empfängt und schließlich aufgewühlt von einem frischen Südwestwind, gegen den wir uns auf der letzten Etappe zurück in Richtung Bootshaus voranarbeiten. Welch ein Kontrastprogramm zu der Beschaulichkeit von Eider und Kanal.

Resümee

Die Westenseefahrt – an Vielseitigkeit unter den lokalen Zielen kaum zu überbieten:

  • Der Westensee – Ruhe und weiter Horizont
  • Die Eider – urwüchsig verwunschene Beschaulichkeit
  • Der Kanal – Langeweile gepaart mit dem Flair von großer weiter Welt
  • Die Schleuse – Geduldsprobe auf Tuchfühlung mit den Kolossen der Weltmeere
  • Die Förde – je nach Wetterlage wildes Tor zur weiten Ostsee.

Und in der Zweitagesvariante wird eine »richtige« Wanderfahrt draus, mit Abendprogramm und Übernachtung im eigenen Bett. Welch ein Luxus!

Vielen Dank an Claus für Deine perfekte Organisation, Deine Geduld und Nervenstärke angesichts der drohenden Meuterei vor der Schleuse – und natürlich dafür, dass wir bei Euch zu Gast sein durften. Wir haben es sehr genossen!

Hans-Martin Hörcher

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